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Die Meinungsfreiheit ist kein Service – sie ist ein Recht

„Freiheit ist die Freiheit zu sagen, dass zwei und zwei vier ist. 
Gilt das, folgt alles andere.“

— George Orwell, 1984 

Die Meinungsfreiheit ist keine bloße Floskel in einer Präambel. Sie ist ein Grundpfeiler jeder demokratischen Ordnung. Sie wurde über Jahrhunderte hinweg unter Einsatz von Freiheit, Karriere, Ruf und Leben erkämpft. Von Aufklärern, Dissidenten, Oppositionellen – gegen Monarchien, Diktaturen, Kirchen und Parteien. Dass Menschen ihre Meinung frei äußern können, ohne Angst vor Repression, ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine bürgerliche Errungenschaft.

In Deutschland ist dieses Recht nach der Katastrophe des Nationalsozialismus besonders deutlich in der Verfassung verankert: Artikel 5 des Grundgesetzes garantiert die Meinungsfreiheit ohne Vorzensur – sie unterliegt allein den Schranken anderer Gesetze, und über diese Schranken urteilen in letzter Instanz die Gerichte, keine Behörden und schon gar nicht private Akteure im Regierungsauftrag.

Und genau hier beginnt das Problem.

Der Staat lagert die Meinungsbewertung aus – an „Trusted Flagger“

Unter dem Vorwand, „Hassrede“ und „Desinformation“ bekämpfen zu wollen, ist in letzter Zeit eine neue Infrastruktur aufgebaut worden – und diese bedroht unser Grundrecht auf freie Rede in einer Weise, die Orwell möglicherweise eingestuft hätte als: heimlich, strukturell und mit dem Anschein moralischer Überlegenheit.

So hat die Bundesrepublik vertreten durch die Netzagentur drei weitere sogenannte „Trusted Flagger“ lizenziert – Organisationen, die im Auftrag des Staates Plattformen wie X, Facebook oder YouTube mit Meldungen versorgen, was angeblich rechtswidrig sei. Eine dieser Organisationen ist Hate Aid

Klingt harmlos – ist es nicht. Denn zwei fundamentale Probleme tauchen damit auf:

1. Trusted Flagger sind keine Gerichte.

Aber: Sie entscheiden faktisch darüber, was gesagt werden darf und was nicht. Dabei müssen sie – wie Gerichte – jede Äußerung im jeweiligen Kontext rechtlich würdigen. Doch genau das können sie nicht leisten. Was „Hass“ ist, liegt nicht im Auge der Empörten, sondern im Rahmen des Gesetzes. Und dieser Rahmen ist eng. Dass Meinungsäußerungen oft erst nach Jahren der Prüfung vom Bundesverfassungsgericht als rechtmäßig bestätigt werden, zeigt, wie kompliziert diese Bewertung ist.

Ein krasser Post ist noch lange kein rechtswidriger Post. Aber Trusted Flagger agieren nicht differenzierend, sondern alarmistisch. Das Ergebnis? Auch völlig legale Meinungen werden zur Löschung vorgeschlagen – einfach, weil jemand sie für falsch oder gefährlich hält.

2. Trusted Flagger arbeiten im Verborgenen.

Wer einen Post schreibt, erfährt nicht, ob er von einem Trusted Flagger gemeldet wurde. Es gibt keine Benachrichtigung, keine Möglichkeit zur Stellungnahme, keine Chance auf Widerspruch. Das Verfahren istkomplett intransparent – und das in einem Rechtsstaat. Heimlichkeit ersetzt Recht.

Was daraus folgt, ist nicht nur ein strukturelles Ungleichgewicht, sondern ein faktisches Zensurregime ohne gerichtliche Kontrolle.

Was hier untergraben wird, ist das Vertrauen in die Demokratie selbst

Diese Entwicklung ist brandgefährlich. Sie verändert nicht nur den öffentlichen Diskurs, sie verschiebt die Machtbalance zwischen Bürger und Staat – hin zu einer Technokratie, die vorgibt, im Namen des Guten zu handeln, die aber in Wahrheit zu viel Angst vor dem offenen Wort hat.

Meinungsfreiheit ist nicht die Freiheit von Bullerbü-Meinungen. Sie umfasst auch das Schrille, das Falsche, das Polemische – solange es nicht justiziabel ist. Und wer glaubt, man müsse Menschen vor falschen Meinungen „schützen“, hat Demokratie nicht verstanden. Demokratie ist das Aushalten von Meinungen – nicht das Löschen.

Wenn private Organisationen im Staatsauftrag demnächst Inhalte markieren und Plattformen unter Druck setzen, reagieren letztere mit vorauseilender Löschung. So entsteht eine Spirale der digitalen Selbstzensur. Die Menschen ziehen sich zurück, weil sie sich nicht sicher sein können, ob das, was sie sagen, morgen noch erlaubt ist.

Das ist nicht der Weg einer offenen Gesellschaft. Das ist der Weg in die digitale Bevormundung.

Deshalb ist klar: Trusted Flagger haben im Rechtsstaat nichts verloren

Die Ahndung strafbarer Inhalte gehört vor Gerichte – nicht in die Hände zivilgesellschaftlicher Aufpasser mit Regierungsstempel. Wer diese Grenze verschiebt, untergräbt den Rechtsstaat.

Freiheit ist die Freiheit zu sagen, dass zwei und zwei vier ist.
Und dazu gehört auch die Freiheit, Dinge zu sagen, die anderen nicht gefallen. Wer das nicht aushält, sollte an seiner Diskursfähigkeit arbeiten – und nicht den Löschen-Button klicken.

Ein Beitrag von unserem Mitglied Andreas Hofmeister.

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